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Farben und Lacke sind Hightech-Produkte. Was auf den ersten Blick einfach wie eine „Farbe im Eimer“ aussieht, beruht auf einem komplexen Gemenge aus Pigmenten, Bindemitteln, Lösungsmitteln und Additiven. Das Zusammenspiel vieler Komponenten macht die Produkte leistungsfähig, bringt aber auch Schattenseiten mit sich: Manche Inhaltsstoffe gelten als gesundheits- oder umweltkritisch, andere sind regelrechte „Ewigkeitschemikalien“.
Hübsch – aber was steckt in diesen Farben? Das Bild entstand aus Farbresten, die bei ktCOLOR nach der Herstellung mit dem Pinsel auf einen großen Bogen gespritzt wurden.
Wer Nachhaltigkeit ernst nimmt, muss genauer hinschauen. Es reicht nicht aus, dass eine Farbe sich selbst „mineralisch“ rühmt und schön aussieht – entscheidend ist auch, welche Inhaltsstoffe sie enthält und welche Spuren diese in Umwelt und Gesundheit hinterlassen. Die gängigsten Farben und Lacke lassen sich nach diesen Kriterien zu fünf Gruppen priorisieren.
Meine allgemeine Empfehlung für die Wahl der ökologisch und gesundheitlich gesündesten Lösungen folgt. Die Begründungen werden im nachfolgenden Text aufgeführt.
1.
erste Wahl
Farben aus Naturerden, Kalk, Lehm, Pflanzenleim oder Öl.
2.
zweite Wahl
Farben auf mineralischer Stoffgrundlage (Silikatfarben, Solsilikatfarben, silikatisch aufgebaute Emulsionen - Auskunft über die Dispersionsanteile einholen), sowie mineralische Pigmente.
3.
dritte Wahl
Dispersionsfarben und Silikonharzfarben - bei Farben mit Fantasienamen klare Angaben zur Bindemittelbasis einholen.
4.
vierte Wahl
Organische Pigmente sowie lösemittelhaltige Kunstharzlacke – nur dann, wenn Ihre Anwendung oder Ihr Farbton sonst unerreichbar ist.
5.
generell
Keine Farben mit Nanochemie, Forever-Chemie (PFAS) und zugesetztem Mikroplastik –schriftliche Bestätigung verlangen.
Pigmente sind die sichtbarste Komponente in Farben und Lacken. Sie bestimmen den Farbton, die Leuchtkraft und die Wirkung der Farbe im Raum. Die schwermetallhaltigen Pigmente, wie Cadmium- und Bleipigmente, die in den 1920ern noch verbreitet waren, sind toxisch und heute nicht mehr im Einsatz. Bleiweiß wurde beispielsweise durch Titandioxid ersetzt – heute weltweit das wichtigste Pigment. Es punktet mit Deckkraft, verursacht aber enorme Umweltlasten bei der Herstellung. Man sollte weniger belastenden Pigmente den Vorzug geben.
Die verfügbaren Pigmente, von belastend bis vorteilhaft, sind:
1.
Organische Pigmente, wie Cyan und Magenta. Sie sind aus fossilen Brennstoffen. Wie Titandioxid sollten sie nur dann eingesetzt werden, wenn andere Pigmente den erwünschten Farbtonbereich nicht abdecken können.
2.
Mineralische Pigmente, wie Kobaltblau, Nickelgelb und Manganviolett (die Spinellpigmente). Sie sind weniger belastend als Titandioxid (ein Rutilpigment) und die organischen Pigmente (die aus fossilen Brennstoffen sind).
3.
Mineralische Eisenoxid- und Ultramarinpigmente. Sie sind im Vergleich zu anderen synthetischen Pigmenten ziemlich „bodenständig“.
4.
Erdfarben und die Naturpigmente. Sie sind ökologisch herausragend und bieten im Weißbereich die schönsten Alternativen. Trotzdem setzen industrielle Farbenhersteller sie nicht mehr als Farbpigmente ein, denn die natürlichen Erdfarben wie Ocker, Rügener Kreide, Umbra oder Siena lassen sich nicht standardisieren und schon gar nicht automatisieren. Ihre Nutzung setzt immer ein Maß an handwerklicher Arbeit voraus. Genau das widerspricht der Logik der industriellen Farbenproduktion, die auf genormte, zwangsläufig künstliche Pigmente und auf maschinelle Prozesse angewiesen ist.
Bild: Eine Farbe aus Leinöl an den Wänden und der Decke hält Jahrzehnte. Eine ideale Lösung. Gestaltung Beat Gut, Wädenswil, Farbe 32KT013 Gris perle.
Bindemittel schützen sowohl die Pigmente als auch den Untergrund. Sie sorgen für Haftung, Beständigkeit und Glanz. Wie bei den Pigmenten haben synthetische Produkte die natürlichen weitgehend verdrängt: Kunstharzfarben ersetzten Naturölfarben, Kaliwasserglas den Kalk und Acryldispersionen die Tempera-, Binder- und Leimfarben der alten Schule. Da die Anforderungen an Handwerk und Untergrund dabei gesunken sind und die Prozesse sich automatisieren ließen, stiegen die Produktionsmengen und die Gewinnmargen der Hersteller. Diese Gewinne entstanden jedoch auf Kosten von Handwerk und Ökologie.
Die Vorzüge der natürlichen Bindemittel bleiben unerreicht. Die Bindemittelklassen, von belastend bis vorteilhaft:
1.
Kunstharze wie Polyester, Polyurethane, Polymerharze und 2K-Lacke auf Lösemittelbasis. Sie werden aus fossilen Rohstoffen hergestellt und setzen beim Trocknen VOCs (leichtflüchtige organische Verbindungen) frei, die maßgeblich zur globalen Erwärmung beitragen. Sehr viele 2K-Möbellacke und Fussbodenlacke sind hier einzuordnen.
2.
Dispersionsbindemittel wie Acrylate, Vinylacetate, Silikonharze oder wasserbasierte Polyurethane. Diese sind ebenfalls fossilbasiert, aber erheblich emissionsärmer. Produkte mit Dispersionsanteilen bergen bei unsachgemäßer Entsorgung das Risiko, Mikroplastik in die Umwelt einzutragen. Während die thermische Verwertung die Polymere zerstört, können Reste aus Dispersionen, Schleifstäuben oder Abrieb unbehandelt in den Boden und in das Abwasser gelangen und dort als persistente Kunststoffpartikel verbleiben.
Eine Mehrheit der modernen, marktgängigen Produkte – selbst solche, die als Kalk- oder Lehmfarben beworben werden – enthält heute Dispersionsanteile, um die Verarbeitung und die Haftung zu verbessern und um Abrieb und Kreidung zu vermindern. Je matter die Beschichtung, desto niedriger die Dispersionsanteile. Die Faustregel lautet: So wenig wie nötig.
3.
Wässrige Kunstharze, silikatische Bindemittel und biobasierte Polymere entstehen aus der Umwandlung natürlicher Rohstoffe und eröffnen neue Wege zu kreislauffähigen Produkten. Sie sind die beste Wahl, falls die natürlichen Bindemittel nicht geeignet sind. Wässrige Kunstharzfarben, Silikatfarben und „NAWARO“-Produkte aus modifizierten nachwachsenden Rohstoffen sind hier einzuordnen.
4.
Kalk, Leim, Lehm und Pflanzenöle – die natürlichen Bindemittel. Sie stellen hohe Anforderungen an das Handwerk und den Untergrund, bieten aber bei fachgerechtem Einsatz die ökologisch, langfristig ökonomisch und ästhetisch besten Lösungen. Klassische Kalkfarben, Lehmfarben, Ölfarben und Leimfarben sind in diesem Zusammenhang zu nennen.
In Farben und Lacken werden Hilfsmittel eingesetzt, die Haftung oder Konsistenz verbessern, Pigmente besser einbinden, Schimmelbildung verhindern und vieles mehr. In der Regel werden sie in geringen Mengen zugesetzt, wie die E-Stoffe in Lebensmitteln, aber zwei von ihnen sind sehr problematisch.
Farben auf Wasserbasis gelten zwar als ökologischere Wahl, sind jedoch anfällig für Pilz-, Algen- und Schimmelbefall. Um Lagerstabilität zu gewährleisten und Fassaden wie Innenräume vor Bewuchs zu schützen, werden ihnen sogenannte „Biozide“ zugesetzt. Diese Mittel erfüllen zwar kurzfristig ihren Zweck, sind jedoch ökologisch problematisch: Sie waschen sich mit der Zeit aus, gelangen in Gewässer, belasten die Umwelt und stehen im Verdacht, Tiere unfruchtbar zu machen
Man hat zwei Möglichkeiten, sie zu umgehen: stark alkalische Farben auf Kalk- und Silikatbasis einsetzen, die resistent sind, oder Farben von Herstellern wählen, die auf Bestellung aus trockenen Pigmenten frisch hergestellt werden.
Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) werden eingesetzt, um Oberflächen extrem schmutz- und wasserabweisend zu machen. Auch in schmutzabweisenden Farben kommen sie häufig vor – allerdings ohne Kennzeichnungspflicht. Sie sind praktisch nicht abbaubar, reichern sich in der Umwelt wie auch im menschlichen Körper an und gelten als eine der dringendsten ökologischen Herausforderungen unserer Zeit. Die Zugabemenge ist minimal, ihre Lebensdauer maximal. Man sollte Herstellern den Vorzug geben, die sich schriftlich als PFAS-frei ausweisen.
Farben sind die Haut der Architektur. Sie sollten maximal schadstofffrei sein. Hersteller sollten ihre Inhaltsstoffe aufführen und problematische benennen – Biozide, Lösemittel und PFAS-Chemie. Herstellergeheimnisse darf es bei Farben und Lacken ebenso wenig geben, wie in der Nahrungsmittel- oder Kosmetikindustrie. Selbstverpflichtungen von Herstellern sind glaubwürdiger als Ökolabels, weil letztere Lücken haben. Es ist an Ihnen als Konsument:innen, auf Transparenz zu bestehen und Herstellern den Vorzug zu geben, die sie liefern, denn die Politik und die Ökolabels bieten zu wenig Schutz. Achten Sie nicht nur auf den Preis und die Werbung, sondern gezielt nach Inhaltsstoffen und Mengen fragen.
Bild: Natürliche Pigmente und Bindemittel – Steine, Lehm, Sand, Erdfarben, Kalk, Halbedelsteine – bringen die Leuchtkraft der Natur in die Architektur.
Die Erdfarben, Öl und Kalk sind ökologisch unbedenklich und in ihrer Wirkung einzigartig. Sie besitzen eine Leuchtkraft, die aus der natürlichen Struktur heraus entsteht und subtiler als synthetische Produkte ist. Während viele Materialien nur dann nachhaltig sind, wenn sie recycelt werden, brauchen Erdfarben, Öl und Kalk diesen Umweg nicht. Sie verkrümeln, verwittern und gehen ohne Prozessenergie oder Chemie ganz einfach in die Erde zurück, aus der sie stammen. Von Erde zu Erde – ein direkter Kreislauf, ohne Reststoffe, ohne Abfall.
Bild, von links: Im ktCOLOR Pigmentlager Ultramarinblau (für Öl), Ocker Limone, Irische Umbra, Ultramarinblau (für wässrige Systeme), Ultramaringrün, Roterde aus Ercolano, Vernoesergrün. Ganz oben das seltene Pigment Pariserblau. Rohe Pigmente sind immer Konservierungsmittelfrei.
Ohne Kompromisse im Design schöpfen wir den Einsatzbereich natürlicher Rohstoffe konsequent aus. Weil wir jede Farbe von Grund auf frisch herstellen, können wir zunehmend auf Biozide und Titandioxid verzichten. PFAS kommen bei kt.COLOR in keiner einzigen Farbe vor. Bei Dispersionen gilt: so wenig wie nötig – damit unsere hochpigmentierten Farben nicht kreiden – und zugleich der stetige Ausbau von Farblinien ohne problematische Rohstoffe. In jeder Farbe spiegelt sich unsere Haltung. Denn große Veränderungen beginnen im Kleinen.
Tübingen, August 2025
Katrin Trautwein
Fotorechte
Farbklekse und Pigmente im Lager: ktCOLOR. Pigmente in Rührchen: Beka Bitterli, Zürich. Holzstube mit ktCOLOR Ölfarbe: Beat Gut, Wädenswil. Additive und Wüstensand: Shutterstock.