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Eileen Grays E.1027 Maison en bord de mer, 1929 und 2021. Direkt darüber von Le Corbusier die fünf Unités de Camping Ferienhäuser und oben rechts sein Atelier. Schwarz-Weiß Foto von Eileen Gray, Farbfoto von Manuel Bougot.
Die Farben sind ebenso zentraler Bestandteil des Gesamtkunstwerks wie der höhenverstellbare Tisch E.1027, den Gray eigens für das Haus gestaltet hat, heute ein Klassiker des modernen Designs. Lange Zeit blieb Grays Beitrag zur Moderne unterschätzt, was nicht zuletzt an der Dominanz männlicher Zeitgenossen wie Le Corbusier lag. Dieser hinterließ in E.1027 auffällige Wandmalereien, die die ursprüngliche Raumgestaltung störten. Während Grays Farben, Textilien und Materialkontraste die Raumwahrnehmung transformieren, wirken Le Corbusiers Werke wie eine Dekonstruktion der durchdachten Räume. Erst in den 1970er-Jahren wurde Eileen Gray wiederentdeckt, und ihre wegweisende Bedeutung für Architektur und Design erhielt die längst verdiente Anerkennung. Ihre Farben und die Prinzipien ihrer Farbwahl stehen im Mittelpunkt dieses Artikels.
Der Salon 1929 und nach der Renovierung mit Le Corbusiers Wandbild vor dem Tagesbett. Grays Gestaltung war raffiniert, sinnlich und naturbezogen, aber Le Corbusiers Intervention bezieht den Raum auf das Bild. Schwarz-Weiß Foto von Eileen Gray, Farbfoto von kt.COLOR 2019.
Eileen Gray verstand es meisterhaft, Farben einzusetzen, um die Beziehung zwischen der Architektur und der Natur zu betonen. Jede Farbnuance im Haus findet ihre Entsprechung in der umgebenden Landschaft. Die wichtigsten Farben ihres Konzepts sind:
Die Sandfarbe Haus am Meer: Sie ist das Weiß im Haus und außerdem die Farbe der hellen Bodenfliesen. Sie greift die Farbe der Kieselsteine am Strand auf und stellt eine nahtlose Verbindung zwischen Innen- und Außenraum her.
Glänzendes und mattes Schwarz: Die Farben der Klippen, die sich je nach Nässe und Licht verändern. Die matt-glanz-Kontraste steigern die haptische Wirkung der Architektur.
Paynes Grau: Ein tiefes Blaugrau, das in der Dämmerung Rückzugsorte im Schutz des Schattens entstehen lässt.
Das erdige Rot Terre de Sienne brûlée: Die rötliche Lehmfarbe der Erde findet im Inneren punktuell Verwendung. Die Farbwiederholungen lenken den Blick fließend von Raum zu Raum.
Natürliche Pigmente: Über Spiegelflächen, die alle Naturpigmente haben, werden Reflexionen von Himmel, Landschaft und Meer ins Innere tragen. Darüber hinaus entstehen lebendige Beziehungen zwischen den leuchtenden Oberflächen im Innenraum.
Eileen Grays Farbgestaltung basiert auf drei zentralen Prinzipien:
Einsatz der Farben der Umgebung: Farben wie Pariserblau, Paynes Grau, Haus am Meer, Anthrazit und Siena gebrannt spiegeln die Landschaft wider. Diese Wiederholungen schaffen einen Naturbezug und beziehen den Innenraum auf die Umgebung.
Bezug zum Sonnenlauf: Die Farben wurden so gewählt, dass sie mit den sich verändernden Lichtverhältnissen im Tagesverlauf harmonieren. Natürliche Pigmente reflektieren mit ihren Spiegelflächen das Tageslicht und verändern mit jedem Witterungswechsel die Atmosphäre des Hauses.
Farbliche Identität einzelner Unterräume : Kontraste definieren funktionale Bereiche und schaffen Nischen, die unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden, ohne die Räume zu dekonstruieren.
Grays Ziel war es, ein Haus zu entwerfen, das den Menschen dient – ein Ort der Intimität, Ruhe und Leichtigkeit. Durch das geschickte Spiel mit Farben entstehen fließende Übergänge zwischen Innen und Außen, Raum und Nebenraum, Aktivität und Entspannung. Natürliche Pigmente lassen Flächen zurückhaltend und weitläufig wirken, wodurch das tatsächlich kleine Haus großzügiger erscheint. Subtile Reflexionen und Kontraste erzeugen eine sinnliche, fast magische Atmosphäre.
Die E.1027 Außenküche mit Farbwiederholungen, die einen nach Innen an einen Ort der Ruhe führen. Foto Manuel Bougot, 2021.
Nach der Fertigstellung übergab Gray das Haus ihrem Partner Jean Badovici. Le Corbusier, ein Bewunderer des Werks, fügte zehn Jahre später in Absprache mit Badovici auffällige Wandmalereien hinzu. Diese veränderten die durchdachte Raumkomposition so stark, dass Gray das Haus nie wieder besuchte. Erst in den 1970er-Jahren wurde ihr Werk wiederentdeckt, und nach Jahren des Verfalls erfolgte eine umfassende Restaurierung. Heute steht das Haus unter Denkmalschutz.
Das Haus schmiegt sich in die Landschaft. Ein Besuch lohnt sich! Foto Manuel Bougot, 2021.
Das Haus am Meer E.1027 zeigt, wie Farben und Architektur Gefühle ansprechen und Räume schaffen können, die tiefe Sehnsüchte berühren. Die in unmittelbarer Nähe stehenden Werke Le Corbusiers Cabanon und Unités de Camping laden ebenfalls zu einer Reise in die Ursprünge der modernen Architektur ein. Ein Besuch wirft zugleich eine zentrale Frage auf: Wem dient die Architektur? Dem Architekten, dem Investor – oder den Ursehnsüchten der Menschen, die sie bewohnen?
11. Januar 2025
Zitat am Anfang: Christian Müller, Stefan Hecker, 2021: Eileen Gray, oder ein unbekümmerter Umgang mit der Moderne, in: Archithese 4-91, Arthur Niggli, Heiden, 1991, S. 10
Schwarz-Weiß Fotos: Eileen Gray, 1929, in E1027 Maison en bord de mer, L'Architecture Vivante, Paris, Editions Albert Morancé.
Interiors: Grisard'Architecture ETH SIA, 2023; Rietberg Museum, Georg Aerni, 2008; Architekten Gemeinschaft 4AG, Miriam Braun, 2021.
Cloé Pitiot, 2017. Eileen Gray : Une architecture de l’intime / Intimate Architecture. Editions du Centre Pompidou, Paris.