Blau hat seit jeher den Status einer besonderen Farbe, der etwas Geheimnisvolles anhaftet. Der Begriff «Blau» umfasst aber eine grosse Anzahl verschiedener Nuancen. Welche ist gemeint? Die genauere Betrachtung führt uns rasch zu Ultramarin, dessen Sonderstatus sich darin zeigt, dass es zu allen Zeiten Künstler, Literaten und Wissenschaftler gab, die sich der Anziehungskraft des Ultramarins nicht entziehen konnten. Berühmte Kunstwerke, erhellende Erklärungsversuche und fabelhafte Geschichten widmen sich diesem faszinierenden Blau. Ich greife einige in diesem Blogbeitrag auf, wobei ich mich auf die folgenden Aspekte beschränke:
Natürliches Ultramarin = Lapislazuli
Synthetisches Ultramarin
Unterschiede natürlich – synthetisch
Yves Kleins IKB®
kt.COLORs Ultramarinblau Y3
Die Pigmentbeschaffung
Ultramarinblau chemisch
Ultramarinblau gestalterisch
Steine mit niedrigem Lasuritanteil sowie die leicht blaugrauen Extraktionsrückstände können zu Ultramarinasche verarbeitet werden. Für die Schmucksteingewinnung ungeeignet, ist es gerade die zarte Eigenfarbe, die Ultramarinasche bei uns im Hause zum unverzichtbaren Pigment macht. Eine ganze Serie von bestechend leuchtenden, stark Licht reflektierenden Farben erschliessen sich mit dem Naturpigment.
Ultramarin besteht zu etwa 99% aus Blaupigment, Lapislazuli jedoch oft nur zu 20%. Ultramarin hat Lapislazuli in jedem Anwendungsbereich ausser als Schmuckstein rasch ersetzt. Die Zusammensetzung der blauen Farbkörper ist gleich, aber im Lapislazuli sind die Kristalle erheblich grösser und mit anderen Mineralien durchsetzt, was bei Ultramarin nicht der Fall ist. Die Pigmente unterscheiden sich deutlich in ihrer Struktur, wie ein Vergleich der urwüchsigen Lapislazuli-Teilchen mit den viel kleineren, runderen Ultramarinteilchen erkennen lässt.
Die Lapislazuli-Kristalle reflektieren Licht stärker als die unebenen Flächen der Ultramarinteilchen. Licht kann tief in die tunnelartigen Poren des Naturpigments eindringen, um dort von darunterliegenden Kristallen reflektiert zu werden. Das verleiht Lapislazuli-Anstrichen eine himmlische, leichte Wirkung, die wärmer und sanfter als solche aus Ultramarin sind. Ultramarinanstriche haben eine kühnere Wirkung, sie wirken tief und rätselhaft.
Die Edouard Adam Rezeptur beruhte auf einem lösemittelhaltigen PVAc-Polymer der Firma Rhône-Poulenc, dem man die gleiche Menge Ultramarinpigment beigab. Nach der Lösemittelverdunstung entstand die gesuchte matte, pudrige Farbschicht. Etwa 50 Jahre später durften wir im Auftrag des Künstlers André Heller eine neue lösemittelfreie Rezeptur für die Farbe entwickeln. Nach unzähligen Versuchen mit den Nachfolgern des Bindemittels hatten wir eine Rezeptur, die ein Blau ebenso tief und blau wie das berühmte Vorbild hergibt. Unser Ultramarinblau Y3 kann in der Eingangshalle der Swarovski-Kristallwelten und am Sternenhimmel der U-Bahn-Station Museumsinsel von Max Dudler Architekten in Berlin bestaunt werden.
Die Pigmentqualität ist für die Qualität unserer Farben absolut entscheidend. Sowohl Lapislazuli wie auch Ultramarin sind aber nur schwer in der gewünschten Qualität zu finden. Die explosive politische Situation in Afghanistan erschwert Schmucksteinhändlern das Geschäftsleben, sodass wir ständig darauf gefasst sein müssen, einen neuen Lieferanten zu finden. Zudem laufen mit Steinen gefüllte Kisten aus Afghanistan Gefahr, am Basler Zoll geöffnet und gründlich auf Waffen untersucht zu werden. Die Lieferfristen, die mit dem Überweisungsauftrag auf ein fremdes Konto beginnen und mit der Pigmentlieferung in Uster enden, erstrecken sich meist über zwei bis drei Jahre. Diese Frist gilt aber auch für Ultramarin. Das synthetische Pigment wird in grossen Keramiköfen in Massen als Aufheller für Wasch- und Spülmittel hergestellt. Für Waschmittelproduzenten sind Farbtonschwankungen unwichtig, die für uns inakzeptabel sind. So bekommen wir ein Muster jeder Produktionscharge, die wir auf Farbstich, Körnung und Tiefe prüfen. Sowie eine Charge unseren Anforderungen genügt, erwerben wir die gesamte Menge. Etwa alle drei Jahre werden wir fündig.
Erwähnenswert ausserdem die weisslich-gelbe Fluoreszenz des Pigments im langwelligen UV-Bereich. Sie bedeutet, dass Ultramarin für uns unsichtbare Energie aufnimmt und zu sichtbarem Licht umwandelt. Diese aufhellende Wirkung und die Blaureflexion machen Ultramarin zum perfekten, optischen Aufheller für weisse Hemden, für vergilbte Wäsche, für die Papierindustrie und für schattige Räume.
Die Ähnlichkeit zur Himmelschemie, eine erhellende fluoreszierende Wirkung sowie die bewegliche Energieverteilung zeichnen Lasurit aus. Sie verleihen Ultramarin und Lapislazuli die Fähigkeit
enge Raumverhältnisse aufzulösen
schattige Bereiche aufzuhellen
sich von einer Fläche zur nächsten zu steigern und Räume dadurch zu vertiefen
Räume insgesamt heller erscheinen zu lassen.
Man kann jede Farbe auf der gesamten Ultramarinpalette bedenkenlos in kleinen Räumen, in engen Passagen, an niedrigen Decken und in verschatteten Bereichen einsetzen. Zu beachten ist allerdings die formauflösende Wirkung des Pigments. Ultramarinflächen scheinen zurückzuweichen, sie wirken unfassbar bis gewichtslos. Was für niedrige Decken, die man kaschieren möchte, gut ist, kann an Tragflächen oder als Farbe für Tischbeine, beispielsweise, irritierend wirken. Ferner geben wir zu bedenken, dass die menschliche innere Uhr empfindlich auf Blaulicht reagiert. Blau sagt uns, «Es ist Tag» und Ultramarin, wie der blaue Himmel, sagt uns das überdeutlich. Diese Aufforderung wach zu bleiben kann man sich in Konferenzräumen zunutze machen, in Schlafräumen ist jedoch Vorsicht geboten.
Wir lieben Ultramarin weil es uns eine magische Reihe von Farben erschliesst, die auf begrenztem Raum den Eindruck von unendlicher Weite erwecken.
Katrin Trautwein, Tübingen, Dezember 2020
U-Bahn-Station Museumsinsel, Berlin © MalerMeister Müller & Sohn, Oberlungwitz
Ultramarin im Pigmentlager bei kt.COLOR, ©Philipp Haas
Mikroskop-Aufnahme Lapislazuli-Ultramarinasche, Lichtmikroskop 150X, ©kt.COLOR
Raster-Elektronen-Mikroskop Aufnahmen Ultramarin natürlich (oben) und synthetisch, 7500X, ©kt.COLOR
Pure pigment. ©2022 kt.COLOR AG, Uster.
Ultramarin im Raum: eine Wucht, ©Christoph Schuepp
Kristallstruktur des Lasurit-Gitters (Anm. 8), www.mdpi.com/2075-163X/7/5/69/htm
Dorfzentrum Grimseltor, Gschwind Architekten. Foto ©Tom Bisig, Farbe Lapislazuliweiss
"Es braucht ein bestimmtes Bewusstsein um deine schönen Pigmentfarben in ihrem ganzen Spektrum wahrzunehmen und wertzuschätzen. Deine Bücher und Vorträge können dieses Bewusstsein erwecken."
RP, Maler